Bergsteigen u. Klettern mit der Hochtourengruppe | © Silke Mast/DAV Siegerland

Bergsteigen und Klettersteig im Rätikon

Wir stehen auf dem Gipfel der Sulzfluh auf 2817m und freuen uns über den erfolgreichen Anstieg über den Klettersteig, der immerhin D Stellen beinhaltet und nach gut 2 Stunden Zustieg von der Tilisuna Hütte (2211m) aus weitere zweieinhalb Stunden in Anspruch nimmt.

Da der Gipfel auch über einen Wanderweg von der Tilisuna Hütte aus zu erreichen ist, treffen hier oben nicht nur Bergsteiger aufeinander.

So kommt es, dass eine junge Frau die eingeschnitzte Jahreszahl auf dem mächtigen Holzkreuz, indem es errichtet wurde entdeckt und laut ausruft „schaut mal, wir sind auf 1955m“

Philip, der die Tour organisiert und führt kommentiert uns zugewandt „ja, und der Gipfel heißt INRI“ Das Lachen bricht nur so aus uns heraus.

Aber wer sind wir eigentlich?

Wir, das sind Philip als Tourenleiter, Ludger, Thomas, Benni, Benno, Katrin und ich.

Einige Tage vorher treffen wir uns an der Golmer Seilbahn in Vandans zum Aufstieg zur Tilisuna Hütte. Es ist sonnig und heiß.

Obwohl einige von uns sich nicht kennen, also auch noch keine Tour miteinander gemacht hatten, gestaltet sich bereits der gut 7-stündige Aufstieg trotz 1250 hm die uns bevorstehen lustig.

So kommt es, dass bei einer Rast an einem Tisch zwischen freilaufenden Ziegen und Hühnern an der Alpila Alpe Benno plötzlich irritiert aufschaut und ruft „Das Huhn hat meinen Müsliriegel geklaut“, den hatte er wohl in der Hand. Wir lachen laut auf und setzen den anstrengenden Aufstieg gut gelaunt über schmale Pfade durch saftig grüne Bergwiesen weiter fort. 

Trotz Schwitzen und Stöhnen besteigen wir weiter oben die Tschagunser Mittagspitze (2168m) in 1er Kletterei. Eine nette Abwechslung zu dem stetigen und anstrengenden bergauf. 

Wie die kleinen Kinder setzen wir ungeduldig die Rucksäcke ab, machen ein Depot am Wegesrand und klettern fröhlich und strahlend in 20 Minuten hoch zum Gipfel, freuen uns endlich Fels in den Händen zu spüren und sind trotz merklicher Erschöpfung glücklich.

Wieder unten folgen noch 2 Stunden auf und ab auf gut erkennbaren, alpinen Pfaden, durch den Schwarzhornsattel, vorbei am Tilisuna See bis zur hungrig ersehnten Hütte.

Auch der folgende Tag soll trotz Regen, der uns bis Mittags zwingt in der Hütte zu verweilen nicht langweilig werden.

Philip unterweist uns in die hohe Kunst des Skatspiels 😊 Die einen spielen, die anderen schauen gespannt zu und nach leckerem Kaiserschmarrn geht’s doch noch los, die Weißplatte (2630m) zu besteigen.

Ein wunderschöner zerklüfteter Kalkstein, der alle Konzentration abverlangt in seinem Karst Gelände aus Blöcken mit Kanten scharf wie Rasierklingen und Schotter. Jeder Tritt muss sitzen. Ein Fuß in einer der Felsspalten könnte schlimme Folgen haben. Weglos steigen wir also hinauf bis zum Gipfel, orientieren uns an Steinmännchen. Knapp 4 Stunden später sind wir zurück auf der Hütte, rechtzeitig, um nicht ins nahende Gewitter zu geraten. 

Der folgende Tag erlaubt uns, wie bereits zu Beginn beschrieben, die Besteigung der Sulzfluh über den Klettersteig. Es ist bis morgens nicht klar, ob das Wetter halten wird.

Der Abstieg von der Sulzfluh geht dann über den Normalweg. Das Gelände zunächst schottrig, später glatte Blöcke, dazwischen bodenlos tiefe Löcher und Spalten. Weiter unten nass lehmige Pfade durch grüne Blumenwiesen bis zur Hütte. 

Abends wird natürlich Skat gespielt.

Morgen steht dann ein Hüttenwechsel zur Douglasshütte an. Hier wollen wir weitere Klettersteige, evtl. die Schesaplana als höchsten Gipfel des Rätikon besteigen.

Sofern das weiter unbeständige Wetter es zulässt. Aber zunächst mal ist der lange Übergang mit vollem Gepäck trocken zu meistern, wir reden immerhin von 21 Km in alpinem Gelände mit 850 hm rauf und 1200 hm runter in stetigem Wechsel. Etwas müde von den letzten durchaus fordernden Tagen sind wir auch.

Wir haben wieder Glück und starten nach dem Frühstück trockenen Fußes regeneriert und motiviert bei klarer Sicht Richtung Sulzfluh Klettersteig. Weiter führt uns der Weg entlang des imposanten Sulzfluhstocks zur Carschina Hütte auf Schweizer Seite, wo wir die erste Rast bei Linzer Schnitte machen, die frisch aus dem Ofen kommt. Benni merkt an, dass es für ihn auch eine „Rinderschnitte“ sein könnte, wieder einmal lachen wir laut los, wie schon so oft auf dieser Tour. Und obwohl sich die Carschina Hütte komplett entkernt im Umbau befindet, gibt es einen kleinen Kiosk, einen Container, der als Küche zum Backen dient und eine improvisierte, dennoch gemütliche Holzterrasse für Wanderer, die wie wir des Weges kommen. 

Der Weg führt uns weiter auf dem Prättigauer Höhenweg, teils Rätikon Höhenweg rauf und runter durch Wiesenlandschaften, die ans Auenland erinnern lassen und weiter vorbei an den drei Türmen, Drusenfluh, Schweizer Tor und Kirchlispitzen. Die mächtig weißen Felsen hier, die von der Sonne angestrahlt rot schimmern stehen den Dolomiten in nichts nach.

So wandern wir von der abwechslungsreichen Landschaft fasziniert steil hinauf zum Gafalljoch.

Ab hier gehrts „nur noch“ bergab zum Lüner Stausee und weiter zur Douglasshütte, die wohl eher Hotelcharakter hat.

Der lange Übergang war geschafft. Wir sind trocken geblieben, Philip hat uns unterwegs mit seinem umfangreichen Wissen zu Gestein und Geschichte die Zeit vergessen lassen, Benno dachte über sein Leben nach, Katrin und Benni gaben die letzten Meter Gas, um so schnell wie möglich anzukommen, Thomas und Ludger bildeten abwechselnd die Nachhut und ich selbst versuchte die Schmerzen meiner bereits offenen Fersen bei jedem Schritt zu unterdrücken.

Die kommende Nacht schlafen wohl alle tief und fest.

Die nächsten Tage sind regnerisch gemeldet, und so kommt es auch.

So bleibe ich auf der Hütte und pflege meine Fersen, Katrin macht eine kurze Tour zur Totalphütte mit und kommt dann zurück, die Jungs gehen trotz Regen und Nebel weiter und erreichen sogar noch den höchsten Gipfel des Rätikon, die Schesaplana.

Der Abend wird mit Otto Walkes legendären Englischkursen so lustig, dass uns der Bauch vor Lachen weh tut.

Ein gelungener Ausklang, denn aufgrund des schlechten Wetters sind keine (Kletter) Steige mehr möglich und wir beenden hier eine fantastische Tour.

Text und Fotos: Silke Mast